22.06.2017 - 08:26

Brauchen Erntehelfer-Regelung wie in Deutschland

Die Diskussion über die Einführung eines Mindestlohns von 1500 Euro trifft die Landwirtschaft - besonders den Obst- und Gemüsebau. Um diesen Mindestlohn zu erreichen, sind laut LK Österreich drei wesentliche gesetzliche Änderungen nötig.
  • Erntehelferregelung nach dem Vorbild Deutschlands In der Landwirtschaft werden viele Arbeitskräfte kurzfristig, insbesondere für Erntetätigkeiten, beschäftigt. Deutschland und andere Länder der europäischen Union etablierten für derartige kurzfristige Tätigkeiten Sonderregelungen zur Reduzierung der Abgaben für die genannten Beschäftigungsverhältnisse. Da Österreich im direkten Wettbewerb mit Deutschland steht – vor allem große Lebensmittelhandelsketten werden von Deutschland aus gesteuert – soll das deutsche Modell auch in Österreich eingeführt werden.
  • Novelle zum Landarbeitsgesetz Die Kollektivvertragspartner haben die Kompetenz für ihre Branche adäquate und ausgewogene Regelungen zu vereinbaren. Im Landarbeitsgesetz fehlen diese Spielräume, die im Arbeitszeitgesetz vorhanden sind. Dabei geht es um die Gestaltung der Zuschläge für Nachtarbeit und Sonntagsarbeit. Daher ist eine Novelle notwendig, die die Kollektivvertragspartner entsprechend ermächtigt.
  • Möglichkeit zu Arbeitgeberzusammenschlüssen Der Gesetzgeber muss Landwirten die Möglichkeit zu langfristiger Beschäftigung und besserer Auslastung von Dienstnehmern geben. Dies würde einerseits mehr Menschen längerfristige Vollbeschäftigung in der Landwirtschaft bieten und andererseits den Dienstgebern die Anwerbung und die Anmeldung bzw Abrechnung der Dienstnehmer erleichtern und die Verwaltungskosten reduzieren. Die bestehende gesetzliche Regelung macht das unmöglich, weil in einem solchen Fall gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung unterstellt wird. Eine derartige Arbeitskräfteüberlassung ist nur speziell befähigten Gewerbeberechtigten erlaubt und führt zur Anwendung eines unpassenden Industriekollektivvertrages. Beim Arbeitgeberzusammenschluss soll es mehreren Bauern möglich sein, trotz getrennter Produktionsbetriebe, gemeinsam Arbeitskräfte zu beschäftigen. 

Die Landwirtschaftskammer Österreich ist mit diesen Anliegen an die übrigen Sozialpartner um Unterstützung der Forderungen herangetreten, damit das gemeinsame Ziel eines Mindestlohnes von 1.500 Euro auch in der Landwirtschaft rasch umgesetzt werden kann. Was sagen die Bauern dazu?

Die Landwirtschaftskammer hat drei Landwirte nach ihrer Meinung zu der Mindestlohn-Diskussion befragt:
Wolfgang Berger, Sprecher Einlegegurken-Erzeuger für efko, Fraham bei Eferding (OÖ)
Ein Mindestlohn von 1500 Euro wäre nicht nur für die Bauern, sondern auch für die efko fatal. Denn die efko könnte im direkten Wettbewerb mit Einlegegurken aus Serbien, der Türkei, Indien oder Vietnam, aber auch mit Deutschland, das in Serbien produzieren lässt, keinen Vertrag mehr mit einer Handelskette in Österreich erfolgreich abschließen. Auch für die Bauern wäre das nicht zu machen: Denn ein Mindestlohn von 1.500 Euro bedeutet das rechnerisch einen um mindestens 30 Prozent höheren Erzeugerpreis. Das ist unrealistisch.
Martin Sedelmaier, Vollerwerbsbetrieb in Krems-Thallern, Niederösterreich
Diese Kostensteigerung wäre mit dem Produkt allein nicht mehr abzudecken. Denn viele Betriebe sind am Limit. Schon heute konkurrieren wir mit billigsten Arbeitskräften, über Personalleasingfirmen vermittelt. Aber wo bleiben dort die Verantwortung des Betriebs für seine Mitarbeiter, wo die Zugehörigkeit und gemeinsame fachliche Entwicklung? Die Obstbauern verlangen nun Kreativität, um die Auswirkungen des Mindestlohns abzufedern. Da braucht es mehr Flexibilität bei Erntespitzen, wie z. B. die Verlegung der Sonntagsruhe ohne finanziellem Mehraufwand. Nur so sind höhere Mindestlöhne für die Branche verkraftbar.
Familie Roman Köck, Apfelproduzent, Riegersburg, Steiermark
Die Berücksichtigung von Kosten für Fremdarbeitskräfte mit einem Mindestlohn von 1.500 Euro wäre unter den Umständen der vergangenen schweren Jahre nicht möglich. Bei maximal 30 Cent je kg Apfel kann man froh sein, dass die Arbeit im Vollerwerbsbetrieb mit der kostenlosen Hilfe von Frau und Eltern gerade noch machbar ist. Anders wäre der Betrieb nicht zu halten, dann müssten wir zusperren. Im europäischen Vergleich ist der steierische Apfel dann nicht mehr zu finanzieren.

(Quelle: TOP Agrar Österreich,  https://www.topagrar.at)